Tipps & Tricks

06.02.25

Was ist bei der Konzeption und Erstellung von Lernbausteinen mit H5P-Elementen und der Software Lumi hinsichtlich der Standards der digitalen Barrierefreiheit zu beachten? Anhand des Praxisbeispiels “ChanGe - Chancengerechte Hochschule” werden Learnings aus dem Workflow und der Prüfung auf Barrierefreiheit aufgezeigt sowie Lösungswege innerhalb des Praxisbeispiels geschildert und allgemeine Empfehlungen formuliert.

1. Erstellung von barrierefreien Lernbausteinen mit H5P

Mit H5P (HTML5-Package) ist es möglich, interaktive Inhalte zu erstellen, die bspw. in digitale Lernmanagementsysteme und Webseiten eingebunden werden können. Verschiedene Inhaltselemente, wie Präsentationen, Quizzes und interaktive Videos können mit der Open-Source Software erstellt werden (Allgemeine Einführung in H5P). In der digital gestützten Hochschulbildung, aber auch in der OER-Community werden H5P-Elemente mittlerweile häufig genutzt (HD@DH.nrw o.J; QUADIS o.D). Um für alle Nutzenden zugänglich zu sein, müssen auch H5P-Elemente die Anforderungen digitaler Barrierefreiheit (die gesetzlichen Anforderungen finden sich u.a. im Leitfaden zur digitalen Barrierefreiheit im Hochschulkontext) erfüllen.1 

 

2. Infos zum Projekt: Ein Selbstlernangebot für diversitätssensible Lehre

Das Kooperationsprojekt “ChanGe - Chancengerechte Hochschule” der Hochschuldidaktik Sachsen mit der Koordinierungsstelle Chancengleichheit Sachsen nutzte das Autor*innentool Lumi zur Erstellung eines hochschuldidaktischen Selbstlernangebots zum Thema diversitätssensible und chancengerechte Hochschullehre mit H5P-Elementen.

Innerhalb der Projektlaufzeit (09/2023 - 08/2024) entstanden zwei Lernbausteine . Darin erhalten Lehrende wichtige Grundlagen zum Themenbereich Diversität und Chancengerechtigkeit und reflektieren ihre eigene Lehrtätigkeit. Darüber hinaus bekommen sie konkrete methodisch-didaktische Anregungen, um ihre Lehrpraxis weiterzuentwickeln. Ziel ist es, Lehrende für Diskriminierungsrisiken zu sensibilisieren und die Lernpotenziale aller Studierenden zu fördern.

Das Selbstlernangebot steht als offener Kurs im Lernmanagementsystem OPAL zur Verfügung. Eine wichtige Zielsetzung bei der Entwicklung des Selbstlernangebots war die Berücksichtigung von Standards der Barrierefreiheit.

 

 

3. Erstellung von barrierefreien Lernbausteinen mit Lumi/ H5P 
Im Folgenden geben wir Einblicke in den Workflow zur Erstellung der Lernbausteine und teilen unsere Erfahrungen mit Lumi/H5P und Barrierefreiheit.

3.1 Zum Workflow
Zum Projektstart erfolgte eine umfangreiche Recherche und Bestandsaufnahme von Weiterbildungs- und Selbstlernangeboten in den Themenbereichen Diversität und Chancengerechtigkeit. Zudem wurden Austauschgespräche mit hochschuldidaktischen Projekten durchgeführt, die barrierefreie Selbstlernmaterialien online zur Verfügung stellen. 
Zu Beginn des Jahres 2024 konnte ein erster Prototyp entwickelt werden. Hierfür wurde zunächst das inhaltliche und didaktische Konzept erarbeitet, das anschließend einem internen Review unterzogen und daraufhin überarbeitet wurde. Dieses Skript stellte die Grundlage für die Entwicklung des Prototyps mit Lumi/ H5P dar, der nach einer Pretest-Phase schließlich extern durch a11y design auf Barrierefreiheit getestet wurde.

3.2 Lumi/ H5P und Barrierefreiheit
Zur Erstellung der H5P-Lernbausteine wurde das Autor*innentool Lumi genutzt. Dabei konnten wertvolle Erfahrungen in Bezug auf die Barrierefreiheit gesammelt sowie zentrale Herausforderungen identifiziert werden. 

Auswahl einer geeigneten Software 
Verschiedene Rahmenbedingungen und Faktoren waren entscheidend für die Auswahl des Autor*innen-Tools Lumi und die Nutzung von H5P-Elementen. So wurden zu Projektbeginn vergleichbare Selbstlernangebote recherchiert und analysiert, mit welchen Programmen diese erstellt wurden. Dabei wurde auch ein besonderes Augenmerk auf die zur Verfügung gestellten Informationen zur Barrierefreiheit der Angebote gelegt und selbst kleinere Screenreader-Tests absolviert. In Kombination mit den Vernetzungsgesprächen ausgewählter Projekte sowie des zeitlichen und finanziellen Rahmens des Projekts “ChanGe”, fiel die Wahl letztendlich auf H5P-Elemente, die mit der Open Source-Software Lumi erstellt und in einen Kurs im Lernmanagementsystem OPAL eingebettet werden sollten. 

Herausforderungen und Limitierungen
Bei dem Projekt “ChanGe” traten im Laufe der Erstellung der Lernbausteine weitere Probleme auf: Im Prozess der Erstellung der Lernbausteine für „ChanGe“ stellte sich heraus, dass viele der interaktiven H5P-Elemente nicht barrierefrei nutzbar sind, sodass die Auswahl von abwechslungsreichen Komponenten stark beschränkt war. Ebenso kann in (mit Lumi erstellten) H5P-Lernbausteinen nicht zwischen verschiedenen Sprachen gewechselt werden, was die Einbindung englischer Begriffe erschwert und die Zugänglichkeit für Screenreader-Nutzer*innen einschränkt. Auch die Navigation ist bei exportierten H5P-Inhalten (sprich HTML-Dateien) nicht als solche ausgezeichnet und die Lesereihenfolge lässt sich auf Präsentationsfolien in H5P nicht einstellen, was ebenfalls die Zugänglichkeit für Screenreader-Nutzer*innen einschränkt. Da diese Einstellungsmöglichkeiten mit Lumi nicht möglich sind, bedarf es einer nachträglichen Überarbeitung im Quellcode. 

3.3 Testung auf Barrierefreiheit und Verbesserung 
Um sicherzustellen, dass der erstellte Lernbaustein den Anforderungen der Barrierefreiheit entspricht, kamen im Testverfahren zwei zentrale Methoden zum Einsatz:

3.3.1 Richtlinienbasierte Prüfung: Diese orientierte sich an der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) und umfasste insgesamt 98 Prüfkriterien. Die Prüfung deckte strukturelle technische Barrieren auf, die gemäß den Normen WCAG 2.1 und EN 301 549 behoben werden mussten.

3.3.2 Aufgabenbasierter Screenreader-Test: Parallel dazu wurde ein Screenreader-Test durchgeführt, um konkrete Barrieren in der Usability und Bedienung mit Hilfsmitteln wie NVDA (Windows/Chrome) und VoiceOver (macOS/Safari) zu identifizieren. Diese Art der Testung lieferte besonders wertvolle Hinweise auf Barrieren, die in der praktischen Nutzung schwerwiegend sind und ohne eine solche Testung oft unentdeckt bleiben.

Wichtige Erkenntnis: Während die BITV-Prüfung eine gute Grundlage bot, reichte sie allein nicht aus, um die tatsächliche Nutzbarkeit für Menschen, die auf Hilfsmittel angewiesen sind, zu überprüfen. Nur durch den ergänzenden Einsatz, wie etwa von Screenreader-Tests, lassen sich kritische Barrieren in der Nutzung und Bedienbarkeit aufdecken, die sonst übersehen werden könnten.

Herausforderungen bei der Umsetzung: Die Behebung der identifizierten Barrieren stellte sich als besonders anspruchsvoll heraus, da das genutzte Tool Lumi für Autor*innen nur eingeschränkte Anpassungsmöglichkeiten bietet. Es ist nicht möglich, Änderungen im Quellcode vorzunehmen, um etwa fehlende oder fehlerhafte semantische Auszeichnungen oder die Lesereihenfolge zu korrigieren. Dies führt zu weiteren Herausforderungen, da solche Anpassungen für eine barrierefreie Nutzung zwingend erforderlich sind.
Um diese Einschränkungen zu umgehen, entwickelte der externe Dienstleister ein spezielles Skript, das nachträglich die Barrierefreiheit der erstellten Lernbausteine verbessert. Damit konnten trotz der Limitierungen von H5P und Lumi wesentliche Barrieren behoben und die Nutzung des Lernbausteins erheblich verbessert werden.
 

4. Learnings und Empfehlungen 
Unsere Erfahrungen zeigen, dass H5P ein nützliches Werkzeug zur Erstellung interaktiver Lerninhalte ist, jedoch in puncto Barrierefreiheit und Handhabung gewisse Einschränkungen mit sich bringt. Für die Erstellung barrierefreier Lehr- und Lernmaterialien ist es daher unerlässlich, folgende Aspekte von Anfang an zu berücksichtigen:

Empfehlungen:

Shift left
Ein höherer Kosten- und Zeitaufwand im Hinblick auf Barrierefreiheit bereits zu Beginn des Projektes erspart spätere Mehrarbeit; daher sollte z.B. ausreichend Zeit für die Auswahl eines geeigneten Autor*innentools eingeplant werden.

Auswahl eines geeigneten Autor*innentools
Besonders wichtig ist die frühzeitige Beurteilung der Prozesskette, einschließlich der Auswahl eines geeignetes Autor*innentools. Diese Werkzeuge spielen eine entscheidende Rolle in der Barrierefreiheit des Endprodukts, da sie oft keine vollständigen barrierefreien Ausgaben ermöglichen. Trotz sorgfältiger Vorbereitung können die eingesetzten Tools selbst zu einer Barriere werden, wenn sie keine umfassenden Anpassungen zulassen. Ein guter Hinweis kann beispielsweise sein, wenn Autor*innentools barrierefreie Standards wie die Authoring Tool Accessibility Guidelines (ATAG) erfüllen und dies auch dokumentieren. Im Teil B dieses internationalen Standards wird gefordert, dass alle Inhalte, die mit einem Autor*innentool erstellt werden, wiederum barrierefrei sein müssen.

Möglichst frühzeitige Testung und kontinuierliche Überarbeitung
Aus diesem Grund ist es essentiell, die technischen Möglichkeiten und Limitierungen von Autor*innentools bereits zu Beginn des Projekts - vor der inhaltlichen Ausgestaltung - anhand eines Prototyps zu prüfen und bei Bedarf nach barrierefreien Alternativen zu suchen. Bei weiteren Überarbeitungsschleifen ist es sinnvoll, die digitale Barrierefreiheit stets mitzudenken und beständig zu verbessern.

Externe Beratung bei der Auswahl der technischen Infrastruktur
Es kann hilfreich sein, eine Zusammenarbeit mit externen Expert*innen bei der Auswahl der technischen Infrastruktur und Software in Betracht zu ziehen.

Individuelle Programmierung als Alternative zu Baukastensystemen
Wenn gängige Baukastensysteme wie Lumi keine ausreichende Barrierefreiheit bieten, könnte eine individuelle Programmierung als maßgeschneiderte Lösung dienen. Dies erfordert zwar mehr Aufwand, ermöglicht jedoch maximale Anpassungen.

 

1 Eine Langfassung des Beitrags ist auf dem Blog des Hochschulforums Digitalisierung zu finden.

Autor:in

Janna Burr, Julia Lochner, Claudia Loitsch & Stefanie Dreiack