Veranstaltungen
12.09.23
Sprachkompetenzen sind ein entscheidender Faktor für den Studienerfolg internationaler Studierender (vgl. Wisniewski et al. 2022). Die sprachliche Studienvorbereitung und -begleitung soll internationalen Studierenden ermöglichen, sich bestmöglich auf das angemessene Bewältigen von sprachlich-kommunikativen Situationen und Aufgaben im Studienalltag vorzubereiten. Damit trägt sie grundlegend zur Erhöhung des Studienerfolgs bei.
Welche Kompetenzen brauchen internationale Studierende aber konkret, um erfolgreich an einer deutschen Hochschule studieren zu können? Antworten auf diese Frage gibt ein am Sprachenzentrum der Universität Leipzig neu entwickelter, wissenschaftlich fundierter Ansatz: das „Kompetenzmodell für studienbezogene Deutschförderung“ (Bärenfänger/Feike/Magosch, in Vorbereitung).
In 90-minütigen Online-Workshops der Hochschuldidaktik Sachsen haben insgesamt 33 Teilnehmende - hauptsächlich Sprachlehrkräfte an sächsischen Hochschulen - einen ersten Einblick in das Kompetenzmodell gewonnen und davon ausgehend Ideen für die kompetenzorientierte Weiterentwicklung ihrer Tätigkeit in der sprachlichen Studienvorbereitung und/oder -begleitung gesammelt.
Durchgeführt wurden die Workshops im offenen Kursangebot der HDS. Konzipiert und entwickelt wurden sie im Rahmen des am Studienkolleg Sachsen (Universität Leipzig) angesiedelten Teilprojekts „Professionalisierung von Sprachlehrkräften an sächsischen Hochschulen“, das an das HDS-LehrNetzwerk „Qualitätszirkel für studienbezogene Deutschförderung“angebunden ist. Die sachsenweite Vernetzung von Hochschullehrenden und der kollegiale Austausch sind zentrale Anliegen des LehrNetzwerks. Deshalb ist es sehr erfreulich, dass Lehrende und Institutsleitende von acht sächsischen Hochschulen an den Workshops teilgenommen haben.
Um das Kompetenzmodell zu verorten, gaben die beiden Workshopleitenden - Sophie Bornscheuer und Leonore Spiegel - den Teilnehmenden einleitend einen kurzen theoretischen Input zu Kompetenzorientierung im Fremdsprachenunterricht. Sie zeigten dabei, dass die Entwicklung hin zur Kompetenzorientierung im Fremdsprachenbereich schon in den 1970er Jahren begann. Bereits zu jener Zeit wurde in den Fremdsprachendidaktiken kommunikative Kompetenz als zentrales Lernziel definiert. Deutlich intensiviert wurde diese Entwicklung um die Nullerjahre - zum einen durch die Veröffentlichung des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR, Europarat 2001) und zum anderen durch eine Umstellung auf Kompetenzorientierung im Bildungswesen allgemein (u.a. im Zusammenhang mit dem sog. PISA-Schock und dem Bologna-Prozess). Im Anschluss an den historischen Rückblick stellten die Workshopleitenden eine handlungsorientierte Definition von Kompetenz(en) für den Fremdsprachenbereich aus dem GeR vor. Der zufolge sind Kompetenzen ein zum (sprachlichen) Handeln befähigendes Konglomerat aus verschiedenen Aspekten wie Wissen, Fertigkeiten und persönlichkeitsbezogenen Komponenten (z.B. Motivation, Offenheit).
Ausgehend von diesem theoretischen Input wurde das Kompetenzmodell für studienbezogene Deutschförderung vorgestellt. Das Modell soll die sprachlichen Bedarfe internationaler Studierender für ein erfolgreiches Studium an einer deutschen Hochschule möglichst vollständig und systematisch beschreiben und damit ermöglichen, dass die sprachliche Studienvorbereitung und -begleitung noch stärker an den realen Anforderungen orientiert wird. Nach einem Überblick über diese Ziele sowie über die Genese und Maßnahmen zur Qualitätssicherung lernten die Teilnehmenden den Aufbau des Kompetenzmodells in interaktiven Aufgaben schrittweise kennen.
Zunächst wurden die 14 Handlungsfelder vorgestellt, die die Autor:innen des Kompetenzmodells vom „Student Life Cycle“ abgeleitet haben. Diesen Handlungsfeldern bzw. Kommunikationsbereichen – darunter etwa die Studieneingangsphase, der Umgang mit Behörden und soziale Kontakte – sind jeweils Kompetenzziele zugeordnet. Die Teilnehmenden diskutierten in Breakout-Sessions, welche Handlungsfelder in ihrer Unterrichtspraxis bereits eine Rolle spielen bzw. potenziell interessant für ihre Zielgruppe(n) sein könnten und setzten sich beispielhaft mit Kompetenzzielen auseinander. Zurück im Plenum wurde die Unterteilung der Kompetenzziele in unterschiedliche Lernzielarten – strategische Kompetenzen, Domänenwissen und Kann-Beschreibungen – erläutert und exemplarisch dargestellt. Ebenso wurde die Skalierung der Kann-Beschreibungen auf den Niveaustufen A2 bis C1 für das Lernziel „Kann Fragen zu einer Präsentation beantworten“ besprochen.
Anschließend wurden in einer Plenumsdiskussion passende (sprachliche) Feinlernziele zu einem Kompetenzziel formuliert. Es wurde deutlich, dass das Kompetenzmodell die Komplexität studienspezifischer sprachlicher Handlungen (beispielhaft beim Besuch einer zentralen Einführungsveranstaltung der Hochschule zum Studienstart) aufzeigt. Damit wurde die Perspektive auf konkrete Nutzungsmöglichkeiten des Kompetenzmodells für die Praxis der sprachlichen Studienvorbereitung und -begleitung eröffnet.
In einer weiteren Breakout-Session diskutierten die Teilnehmenden auf Basis der zuvor erlangten Einblicke in das Kompetenzmodell seine Potenziale und Grenzen für ihre Tätigkeit in der Studienvorbereitung und -begleitung. Als Potenzial wurde insbesondere gesehen, dass das Modell wissenschaftlich fundiert ist und dass es vielfältige studienrelevante Kontexte aufzeigt. Da es sich um ein Kompetenzmodell handelt, erfordert der Transfer in die Praxis jedoch noch methodisch-didaktische Überlegungen und Schritte von Lehrenden und Einrichtungen. Im Zuge der Vorschläge zur Weiterentwicklung der Lehre wurde außerdem die Notwendigkeit erkannt, auch aktuelle Prüfungsformate entsprechend kompetenzorientiert umzugestalten.
Insgesamt zeigten die Teilnehmenden großes Interesse für das Kompetenzmodell und seine zukünftige Nutzung in ihrer Praxis. Das bestätigen auch die Ergebnisse der Workshopevaluation: „Danke für die tollen Einblicke, ich freue mich auf die baldige Veröffentlichung des Modells.“
Im Herbst 2023 sind vertiefende Präsenzworkshops zur kompetenzorientierten Gestaltung der Lehre mithilfe des Kompetenzmodells an verschiedenen sächsischen Hochschulstandorten geplant.
Kontakt
Sophie Bornscheuer
E-Mail: sophie.bornscheuer@uni-leipzig.de
Leonore Spiegel
E-Mail: leonore.spiegel@uni-leipzig.de
Literatur:
Bärenfänger, O., Feike, J. & Magosch, C. (Hrsg.): Kompetenzmodell für studienbezogene Deutschförderung, in Vorbereitung.
Europarat (Hrsg.) (2001): Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin [u.a.]: Langenscheidt.
Wisniewski, K., Lenhard, W., Spiegel, L. & Möhring, J. (Hrsg.) (2022): Sprache und Studienerfolg bei Bildungsausländerinnen und Bildungsausländern. Ergebnisse eines empirischen Forschungsprojekts. Münster: Waxmann.